Hier noch ein wenig Text zur Geschichte
Die Gründung der Westfälisch-Anhaltischen Sprengstoff AG (Wasag) erfolgte im Jahre 1891. Sie fiel in die Entwicklungsperiode der Bergwerkssprengstoffe, insbesondere der im Kohlenbergbau benötigten kohlenstaub- und wettersicheren Sprengstoffe. Das von der jungen Firma herausgebrachte Wittenberger Wetter-Dynamit war einer der ersten Sicherheitssprengstoffe, die den Anforderungen der kurz vorher ins Leben gerufenen bergbaulichen Versuchsstrecken Neunkirchen (Saar) und Gelsenkirchen (Ruhr) entsprach. Der im Kohlebergbau verwendete Sprengstoff durfte beim Schuss weder Schlagwetter noch Kohlenstaub zünden. Schnell verdrängte dieser Sprengstoff das bis dahin verwendete Schwarzpulver sowie die Gur- und Gelatine-Dynamite, die man als Ursache von Schlagwetterexplosionen erkannt hatte. Dieser von der Westfälisch-Anhaltischen Sprengstoff AG entwickelte neue Sprengstoff bedeutete mehr Sicherheit für die unter Tage arbeitenden Menschen und galt lange Zeit als der beste Sprengstoff für den Kohlebergbau, dessen Sicherheitsgrenze gegenüber Schlagwetter und Kohlenstaub nach den damaligen Untersuchungsmethoden von keinem anderen übertroffen wurde. Weitere Erfindungen verbesserten die bisherigen Sprengstoffe und erhöhten gleichzeitig deren Sicherheit, so dass sich die Firma am Markt gut behaupten konnte.
Während des Ersten Weltkrieges diente die Sprengstoff-Fabrik unter anderem auch der Munitionsherstellung. Sie weitete ihre Anlagen gewaltig aus. Gleichzeitig wuchs die Belegschaft auf 2.500 bis 3.000 Mitarbeiter an, die dienstverpflichtet wurden. Mit der Eisenbahn trafen täglich 1.600 Arbeitskräfte hauptsächlich aus Recklinghausen ein, darunter zahlreiche junge Frauen. Ein weiterer Teil der Belegschaft war in Sythen in werksnahen Baracken untergebracht, wenn er nicht aus der näheren Umgebung kam und dort wohnte. In großräumigen Werkskantinen aßen jeden Tag ca. 2.000 Menschen zu Mittag. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges war selbstverständlich die Kriegsproduktion beendet, so dass auch die Beschäftigtenzahl rasch wieder sank. Viele Produktionsgebäude verödeten bzw. mussten auf Anweisung einer interalliierten Kontrollkommission vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.
Im Werk Sythen stand bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die Friedensproduktion, die Herstellung von Bergbau- und Gesteinssprengstoffen, im Vordergrund. Wie andere Unternehmen wurde auch das Werk Sythen während des Zweiten Weltkrieges neben seiner eigentlichen Aufgabe wieder zur Rüstungsproduktion herangezogen. Diese Entwicklung spiegelt sich sowohl in der Belegschaftsstärke als auch in der Produktionsmenge wieder. Betrug die Belegschaft 1924/25 knapp 400 Personen und sank in den Jahren 1931/32 bis auf 130 Mitarbeiter, so stieg die Zahl der Arbeitskräfte seit 1933 wieder an, erreichte 1939 etwa 350 Personen, erhöhte sich 1940 auf 800, erreichte 1941 fast 900 und blieb dann bis Kriegsende zwischen 800 und 900 stehen.
Die Produktion, die 1924 bis 1928 jährlich über 3 Millionen kg betragen hatte und bis 1932/33 auf 1,4 Millionen kg gesunken war, erreichte 1934 wieder 2 Millionen kg, verdoppelte sich bis 1938 auf 4 Millionen kg, 1939 auf 5 Millionen kg und erreichte 1943 mit 7,9 Millioen kg den höchsten Stand.9
Im Verlaufe des Krieges und insbesondere gegen Ende des Zweiten Weltkrieges flogen die alliierten Bomberverbände auch systematische Angriffe gegen das Werk Sythen. So berichtet die Werksleitung der Hauptverwaltung in Berlin im Dezember 1945 von drei schweren Luftangriffen am 11., 12. und 20. März 1945, bei denen je 500 Bomben und am 20. März 1945 zusätzlich 10.000 Brandbomben über den Werksanlagen abgeworfen wurden. Es waren zwei Tote und ein Schwerverwundeter zu beklagen waren und es wurde ein Gesamtschaden von etwa 3 Millionen Reichsmark angerichtet, obwohl ein großer Teil der Bomben in dem Heidegelände südlich des Werkes niedergegangen war. Des Weiteren gibt es einen detaillierten Bericht über die Schäden und den Zustand der einzelnen Anlagen und Produktionsstätten.10 Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges musste das Werk Sythen seine Produktion kurzfristig einstellen und unterstand wie alle in der englischen und der amerikanischen Besatzungszone liegenden Werke der Wasag-Chemie zunächst der Kontrolle seiner Besatzungsmacht. Doch schon am 22. Juni 1945 gab das britische Hauptquartier die Anweisung, das Werk Sythen für die Produktion von Bergbausprengstoffen in Gang zu setzen, da diese Sprengstoffe dringend für den Ruhrbergbau benötigt wurden. Im August 1945 erhielt das Werk für die Beschaffung von Rohstoffen die höchste Dringlichkeitsstufe und musste bevorzugt beliefert werden. Noch im September konnten die Anlagen anlaufen und im Oktober stellte das Werk wieder 37 t Sprengstoff her. 1946 stieg die Produktion wieder auf 2.000 t, die Belegschaft erreichte mit 267 wieder den Stand von 1938, wobei jedoch ein beträchtlicher Teil mit Aufräumungs- und Instandsetzungsarbeiten beschäftigt war. Der große Bedarf an Kohle sicherte dem Werk in den ersten Nachkriegsjahren einen schnellen Wiederaufstieg. Die Produktion stieg bis 1954 auf über 8.000 t, die infolge erheblicher Rationalisierungsfortschritte von nur etwa 350 Mitarbeitern produziert wurden.11 Mit der Stilllegung von Zechen infolge der Bergbaukrise Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre ging auch der Bedarf an Bergbausprengstoffen zurück. Die Belegschaft ist sowohl durch die geringere Nachfrage als auch durch Rationalisierungsmaßnahmen Jahr für Jahr zurückgegangen und inzwischen auf deutlich unter 100 Mitarbeiter gesunken.
Herausgeber: Heimatverein Dülmen e. V.