Ich habe noch mal eine schönen ausführlichen Bericht gefunden.
V 19
Während für Hitler 1939 im Raum Ziegenberg der „Adlerhorst“ als Führungsquartier errichtet wurde, plante man in Gießen den Sitz des Oberkommandos des Heeres (OKH). Von dort aus sollten die Operationen gegen Holland, Belgien und Frankreich unter dem Decknamen „Unternehmen Gelb“ geführt werden. Weitgehend unbekannt blieb die Absicht Hitlers, bei der geplanten Landung in Großbritannien („Unternehmen Seelöwe“) das Oberkommando des Heeres gemeinsam mit der Seekriegsleitung der Marine in Gießen unterzubringen. Diese Planungen gaben den Anlass, Gießens Kasernenanlagen auszubauen und eines der wichtigsten Fernmeldenetze Deutschlands zu errichten. Einer der Generalstabsbunker ist der Sitz des heutigen MuK.
Militärgeschichte
Am 25. Oktober 1934 übereignete die Stadtverwaltung ein 80.000qm großes Grundstück dem Militär. Dort entstand die „Wald-Kaserne“, später „Verdun-Kaserne“. 1935 konnten die neuen Kasernen bezogen werden. Bis zu 300.000 Soldaten wurden in Gießen stationiert. Vorher waren es auf Grund des Versailler-Vertrags 100.000.
Gießen war seit dem 17. Jahrhundert (mitUnterbrechungen) Garnisonsstadt. Am 4. September 1939 schlug der Generalstabschef vor, das Hauptquartier des Oberkommandos von Zossen (bei Berlin) weiter westlich nach Gießen zu verlegen. Ein Problem waren die fehlenden Nachrichtenverbindungen. Es wurde also ein neues unterirdisches Verstärkeramt errichtet und Gießen wurde zum bedeutenden Nachrichtenknoten im Fernkabelnetz.
Man brauchte geschützte Unterbringungsmöglichkeiten für den Generalstab, und so entstanden vier Generalstabsbunker mit den Decknamen V16 bis V19. Zwei wurden jeweils zusammengefasst zu Hansa I und Hansa II (V19 ist das heutige MuK), Die geschützte unterirdische Nachrichtenzentrale hatte den Decknamen Gisela. Von außen sahen die Hansa-Bunker genau aus wie die Zossener Stabsbunker, auch die Grundrisse und Raumaufteilungen waren ähnlich, allerdings waren die Zossener Bunker durch ein unterirdisches Tunnelsystem verbunden. Es wurde vermutet, dass dies in Giessen auch der Fall sei, allerdings konnte bis heute keine Verbindung festgestellt werden. Eine genaue Beschreibung der Bunker ist möglich, weil diese nach dem Krieg nicht zerstört wurden. Warum die Bunker trotz eines Beschlusses von 1945 unzerstört blieben, ist nicht bekannt. Auch die Original-Baupläne sind bis heute nicht aufgetaucht.
Hansa I und Hansa II
Beschreibung: Von außen waren die Häuser nicht als Bunker erkennbar, sie sollten Häuser imitieren. In die Außenwände waren Fenster eingelassen. Und es gab sogar eine Terrasse. Die Stahltüren wurden mit Holz verkleidet. Der Schornstein diente der Luftverteilung in den Bunkergeschossen. Jedes Gebäude – 36,20 x 16,39 Meter im ebenerdigen Grundriss – hatte zwei oberirdische und zwei unterirdische Etagen sowie ein Dachgeschoss. Während die Betonaußenwände nur 40-60 Zentimeter stark waren, hatte der Kern des Hauses eine Wandstärke von einem Meter (siehe Plan). Über der Erde lagen Korridore, Toiletten, Wasch- und Duschräume, sowie Büroräume. Die unterirdischen Etagen dienten zum Schutz gegen Luftangriffe. Die Sohle des Tiefkellers liegt bei 8,20 m unter dem Fußboden des Erdgeschosses, auch hier haben die Wände eine Stärke von einem Meter dickem Stahlbeton.
An den beiden Längsseiten des Gebäudes befanden sich die Treppenhäuser, die zu den unterirdischen Etagen führten, diese ermöglichten den Zugang von außen und von innen. Stahltüren trennten die unteren Räume von den oberen Räumen gassicher ab. Bei einem Angriff konnte man die oberen Räume in kürzester Zeit verlassen und in den unteren Räumen die Arbeit ohne Unterbrechung fortsetzen.Am 5. November 1939 meldete General Halder, dass die Verlegung nach Gießen nicht stattfand. Am 10. Januar wurde erneut die Verlegung nach Gießen geplant. Aber auch diesmal fand sie nicht statt. Gießen wurde trotzdem weiter als Truppenstandort benutzt. 1940 wird die Nachrichtenzentrale Gisela in Betrieb genommen. Vom 22. Mai bis zum 16 Juni 1940 war der Generalstab letztendlich tatsächlich in Gießen und koordinierte alle militärischen Bewegungen in Richtung Frankreich. 1941 wurde die Verdun-Kaserne zur Schule für Nachrichtenhelferinnen. Es wurden junge Mädchen als Ersatz für gefallenen Nachrichtensoldaten eingesetzt. Durch das gute Fernmeldenetz war Gießen immer wieder Ausgangspunkt vieler Operationen. Genaue Angaben darüber sind bis heute nicht bekannt.
Nachkriegsgeschichte
Am 28. März 1945 zogen sich die Nachrichtenstäbe der Verdun-Kaserne zurück. Die US Armee bezog die Kaserne und nutzte diese als Auffanglager für Kriegsgefangene. Ab dieser Zeit sind die Kasernen als „River - Barracks“ bekannt. Im Mai 1992 verließ die letzte US-Einheit die Kaserne. Nach Abzug der Militärs erhielt die Tauchabteilung des Sportvereins „Grün-Weiß-Gießen“ die Genehmigung, in den Stabsbunkern Tauchübungen zu machen,denn die unteren Etagen wurden nach dem Krieg geflutet. 1992 entstand eine in Europa einmalige Ausbildungsstätte für Höhlen- und Wracktaucherei. Das Wasser reichte bis zur Decke, und es gab somit keine Möglichkeit zum Auftauchen. Erst durch die Taucher erfuhr man, was sich wirklich in den Bunkern befand, da es bisher keine Pläne des Bauwerkes gab. Es befanden sich tatsächlich noch Relikte aus dem Krieg in den Bunkern. Die Kabel- und Rohrleitungen waren durchtrennt und durch Schwebstoffe im Wasser war man sich sicher, dass es Brände gegeben haben muß. Wahrscheinlich wurde alles bewußt unbrauchbar gemacht. Allerdings weiß man nicht, ob die Deutschen oder Amerikaner dafür verantwortlich waren. Es bildet sich eine Arbeitsgruppe zur Erforschung des Bunkers. 1993 begann man mit dem Auspumpen der unterirdischen Teile.
Der MuK-Bunker ist bis heute nur bis zum ersten unteren Stockwerk ausgepumpt. Diese Vorgeschichte ergab für die Umgestaltung des „Hauses“ einige Schwierigkeiten. Einerseits sollte der Bunker als Musik und Kulturzentrum funktionieren, andererseits wäre es falsch, die Vergangenheit auszublenden und einfach einen „netten Feierschuppen“ zu gestalten.
Ute Bepler
Quellen:
Michael Grethe, Hans Georg Kampe: Deckname „Hansa“. Die Bunker im geplanten Hauptquartier des OKH in Gießen. Schriftenreihe zur MilitärgeschichteMilitärgeschichtliche Blätter, Hrsg: Projekt + Verlag Dr. Erwin Meißler. 1997