Thon
erfahrenes Mitglied
Tach,
gestern hatte ich die Gelegenheit an einer öffentlichen Führung durch einen kleinen Teil der U-Verlagerung "Dachs 1" teilnehmen zu dürfen. Der Führer sprach viel über Zwangsarbeit und erwähnte auch, wofür diese Anlage bestimmt gewesen sein sollte. Das klang (nicht unbedingt wortwörtlich) in etwa so:
"Das Projekt Dachs sollte eine Hydrieranlage zur Raffinerie von Schmierstoffen beherbergen"
Mich ließ das etwas verwirrt zurück.
Nun, so oder so ähnlich findet man es aber auch immer wieder im weltweiten Netz. So ist z.B. bei Wikipedia die Rede von einer Hydireranlage im Geilenberg Programm (synthetische Kraftstoffe) und auf vielen anderen Seiten wird von Schmieröl-Raffinerie gesprochen.
Wer sich einmal ganz oberflächlich mit den Verfahren, Ihren Rohstoffen und deren Endprodukten beschäftigt hat, wird zu dem Schluss kommen, daß hier mindestens 2, eher 3 Paar Schuhe wild durcheinander geworfen werden.
Also, ich will mich hier weder mit vermeintlichen Fachwissen hervortun, denn das habe ich nicht, noch will ich Haare spalten. Aber in Anbetracht der Größe der Anlage und der möglichen bzw. tatsächlichen Kooperationen mit anderen Projekten und Anlagen, wäre eine genaue Begriffserklärung schon hilfreich und sachdienlich.
Fangen wir an mit Hydrieranlage:
In diesem Zusammenhang versteht man unter einer Hydrieranlage, eine Anlage zur Herstellung von Benzin und Nebenprodukten (aus denen sich auch Schmierstoffe herstellen ließen) aus Kohle (Braun- wie Steinkohle) mittels Hochdruck im Verfahren der IG Farben . Haupt- bzw. Zielprodukt waren hochoktanige Treibstoffe. Niederoktanige Treibstoffe und andere Stoffe waren Nebenproukte. Würde man vom Fischer-Tropsch-Verfahren, welches auch zum Herstellen von Treibstoff aus Kohle eingesetzt wurde sprechen, hieße es Synthese bzw. Fischer-Tropsch-Synthese.
Raffinerie:
In diesem Zusammenhang ist die Erdöl-Raffinerie gemeint. Diese besteht grob aus drei Schritten. Dem Destillieren, wobei aufgrund unterschiedlicher Siedetemperaturen das Rohöl in verschieden Rohprodukte wie Rohtreibstoffe (Benzin und Diesel), Gase und Schweröle und Schmierstoffe aufgespalten wird. Anschließend erfolgt die Konversion, bei der durch chemische Verfahren molekulare Strukturen verändert werden (können) und abschließend die Nachbehandlung.
Schmieröl-Raffinerie:
Eine Schmieröl-Raffinerie gibt es, hierbei wird aus dem Rohstoff Erdöl das Zielprodukt Schmieröl hergestellt. Andere Produkte werden zu Nebenprodukten.
Ich denke die Hydireanlage im Dachs können wir schonmal ausschließen. Oder?
Beim Raffinieren von Rohöl entstehen ca. 1,5% Schmieröl bzw. schmieröltaugliche Stoffe. Niemand würde - und schon gar nicht in Zeiten wie den damaligen - eine Anlage errichten, die zum Ziel hat, ein Produkt mit einem Anteil von 1,5% vom Gesamtnutzen herzustellen, errichten. Dagegen spricht ja auch, daß mehrere sog. Ofenanlagen sozusagen Zulieferer werden sollten. Was ja auch Sinn macht, denn die Ofenanlagen waren Destillen, bei denen Schmieröle bzw. schmieöltaugliche Stoffe als Nebenprodukte der Treibstoffgewinnung anfielen.
Eine reine Schmieröl-Raffinerie erscheint mir in Anbetracht der Versorgunglage mit Rohöl im Reich als abwegig, da alleine die enorm steigenden Produktionszahlen an kolbenmotorgetriebenen Flugzeugen bis Jan. 1945 einen sehr großen Bedarf an Klopffesten Treibstoffen, die herkömmlich aus Rohöl oder aufwendig mittels Hydrierung hergestellt werden mussten, nahelegt. Also wurde vermutlich aus Rohöl primär Treibstoff und nur sekundär andere Stoffe hergestellt. Auch das scheint sich durch die Zulieferfunktion der Ofen-Anlagen zu bestätigen.
Also kann man aller Wahrscheinlichkeit beim Dachs auch nicht von einer Raffinerie sprechen, denn hier wäre das Zielprodukt sicher Treibstoff und kein Nebenprodukt wie Schmieröl gewesen.
Betrachten wir jetzt mal die Zulieferer, die da sein sollten Ofen 1/2, Ofen 3/4, Ofen 5/6 und Ofen 37/38.
Zusammen sollten diese eine monatliche Menge Rohöl von 23000 Tonnen primär zu Treibstoffen verarbeiten. Bei dieser art der Raffinerie entfallen auf Schmierstoffe 1,5%, also monatlich rund 345 Tonnen Schmieröl bzw. Schmieröltaugliche Stoffe. Geht man von 30 Arbeits-/Produktionstagen pro Monat aus, so sollten im Dachs 11,5 Tonnen Schmieröl täglich hergestellt werden. Das entsprich in etwa einem Fünftel des Fassungsvermögens eines heutigen 4 achsigen Kesselwagons!
Eine andere Quelle spricht hingegen von geplanten 5500 Tonnen Schmiermittel monatlich. Legt man die bekannten Verfahren zugrunde, entspricht das widerum einer Menge von rund 370000 Tonnen Rohöl monatlich. Das widerum übersteigt die Kapazität der Ofenanlagen um mehr als das 15-fache. Und hierbei wird noch nicht die Frage erörtert, wo diese Mengen an Rohöl überhaupt herkommen sollten und wie sie transportiert, gelagert und verarbeitet werden sollten.
Nach Dietrich Eichholz "Geschichte der Deutschen Kriegswirtschaft" lag die Gesamtförderung deutschen Erdöls mit Stand März 1945 bei 160000 Tonnen monatlich.
Spielte synthetischer Treibstoff und dessen Nebenprodukte doch eine Rolle? Aber dann ist der Begriff Raffinerie bestenfalls irreführend.
Das vom Reichluftfahrtminister eingerichtete Projektkonto für die Anlage "Dachs" trug den Namen UHDE. Zufall? Uhde war ein Chmiker, der sich ebenfalls mit der Kohleverflüssigung befasste.
Wenn es um die Weiterverarbeitung von Nebenprodukten aus der synthetischen Treibstoffgewinnung ging, dann machten aber die Ofenanlagen als Zulieferer keinen Sinn.
Ferner sollte es dann in der Nähe ein Hydrierwerk, ein Kohlebergwerk, viel Wasser und sehr viel Elektrizität gegeben haben. Und natürlich entsprechende Förder- und Verkehrswege.
Zusammenfassend ergeben sich für mich folgende Fragen:
Wozu brauchte man eine Anlage dieser Größe, wenn man täglich keine 12 Tonnen Schmieröl produzieren konnte/sollte? Eine mittelgroße Lagerhalle hätte es vermutlich auch getan.
Wurde der Dachs doch mit Rohöl beliefert?
Gab es Einbauten zum Destillieren (hoher Energiebedarf!)?
Wurden im Dachs Stoffe aus der synthetischen Treibstoffproduktion verarbeitet? Dann war aber kein Rohöl im Spiel
Sollten möglicherweise mehrere Verfahren zum Einsatz kommen?
Warum wurden in der direkt angrenzenden U-Verlagerung "Stöhr" Röhren produziert?
Die gesamte Kohle- und Petrochemie arbeitete für gewöhnlich im engen räumlichen Verbund. Insbesondere seit das Reich massiv aus der Luft angegriffen wurde, war ein exzessiver Transport riesiger Mengen an Rohstoffen überirdisch auf bekannten Verkehrswegen ein extrem hohes Risiko und vermutlich ab den späten Monaten des Jahres ´44 auch mitlerweile ein nahezu unmögliches Unterfangen.
Natürlich sind meine schnell herangezogenen Quellen keine sicheren Erkenntnisse, sie stammen von den unterschiedlichen Netzseiten, die sich mit dem Dachs und den Ofen-Projekten befassen.
Bei einem ersten Überfliegen der Angaben erschienen mir die Aussagen zum Dachs teils unwahrscheinlich und teils widersprüchlich (Hydrieranlage - Raffinerie).
Mein erster Eindruch sagt mir, daß sich alle Netzseiten mehr oder weniger auf die selben Quellen stützen, wobei meist einer bei dem anderen abschreibt.
Eine Seite behauptet z.B., daß eine Hälfte der Produktions der Zielprodukte der Anlage Ofen 1/2 auf den freien Markt und die andere Hälfte dem Dachs zur Verfügung gestellt werden sollte. Wozu sollte man die Hälfte der Treibstoffproduktion in den Dachs verbringen? Das ergibt keinen Sinn. Und was war 1944 ein "freier Markt"?
Ich habe eine vergleichbare Diskussion zu den Begriffen und dem Verwendungszweck vom Dachs nicht finden können, sollte ich da etwas übersehen haben bitte ich um Zusammenlegung und Entschuldigung.
gestern hatte ich die Gelegenheit an einer öffentlichen Führung durch einen kleinen Teil der U-Verlagerung "Dachs 1" teilnehmen zu dürfen. Der Führer sprach viel über Zwangsarbeit und erwähnte auch, wofür diese Anlage bestimmt gewesen sein sollte. Das klang (nicht unbedingt wortwörtlich) in etwa so:
"Das Projekt Dachs sollte eine Hydrieranlage zur Raffinerie von Schmierstoffen beherbergen"
Mich ließ das etwas verwirrt zurück.
Nun, so oder so ähnlich findet man es aber auch immer wieder im weltweiten Netz. So ist z.B. bei Wikipedia die Rede von einer Hydireranlage im Geilenberg Programm (synthetische Kraftstoffe) und auf vielen anderen Seiten wird von Schmieröl-Raffinerie gesprochen.
Wer sich einmal ganz oberflächlich mit den Verfahren, Ihren Rohstoffen und deren Endprodukten beschäftigt hat, wird zu dem Schluss kommen, daß hier mindestens 2, eher 3 Paar Schuhe wild durcheinander geworfen werden.
Also, ich will mich hier weder mit vermeintlichen Fachwissen hervortun, denn das habe ich nicht, noch will ich Haare spalten. Aber in Anbetracht der Größe der Anlage und der möglichen bzw. tatsächlichen Kooperationen mit anderen Projekten und Anlagen, wäre eine genaue Begriffserklärung schon hilfreich und sachdienlich.
Fangen wir an mit Hydrieranlage:
In diesem Zusammenhang versteht man unter einer Hydrieranlage, eine Anlage zur Herstellung von Benzin und Nebenprodukten (aus denen sich auch Schmierstoffe herstellen ließen) aus Kohle (Braun- wie Steinkohle) mittels Hochdruck im Verfahren der IG Farben . Haupt- bzw. Zielprodukt waren hochoktanige Treibstoffe. Niederoktanige Treibstoffe und andere Stoffe waren Nebenproukte. Würde man vom Fischer-Tropsch-Verfahren, welches auch zum Herstellen von Treibstoff aus Kohle eingesetzt wurde sprechen, hieße es Synthese bzw. Fischer-Tropsch-Synthese.
Raffinerie:
In diesem Zusammenhang ist die Erdöl-Raffinerie gemeint. Diese besteht grob aus drei Schritten. Dem Destillieren, wobei aufgrund unterschiedlicher Siedetemperaturen das Rohöl in verschieden Rohprodukte wie Rohtreibstoffe (Benzin und Diesel), Gase und Schweröle und Schmierstoffe aufgespalten wird. Anschließend erfolgt die Konversion, bei der durch chemische Verfahren molekulare Strukturen verändert werden (können) und abschließend die Nachbehandlung.
Schmieröl-Raffinerie:
Eine Schmieröl-Raffinerie gibt es, hierbei wird aus dem Rohstoff Erdöl das Zielprodukt Schmieröl hergestellt. Andere Produkte werden zu Nebenprodukten.
Ich denke die Hydireanlage im Dachs können wir schonmal ausschließen. Oder?
Beim Raffinieren von Rohöl entstehen ca. 1,5% Schmieröl bzw. schmieröltaugliche Stoffe. Niemand würde - und schon gar nicht in Zeiten wie den damaligen - eine Anlage errichten, die zum Ziel hat, ein Produkt mit einem Anteil von 1,5% vom Gesamtnutzen herzustellen, errichten. Dagegen spricht ja auch, daß mehrere sog. Ofenanlagen sozusagen Zulieferer werden sollten. Was ja auch Sinn macht, denn die Ofenanlagen waren Destillen, bei denen Schmieröle bzw. schmieöltaugliche Stoffe als Nebenprodukte der Treibstoffgewinnung anfielen.
Eine reine Schmieröl-Raffinerie erscheint mir in Anbetracht der Versorgunglage mit Rohöl im Reich als abwegig, da alleine die enorm steigenden Produktionszahlen an kolbenmotorgetriebenen Flugzeugen bis Jan. 1945 einen sehr großen Bedarf an Klopffesten Treibstoffen, die herkömmlich aus Rohöl oder aufwendig mittels Hydrierung hergestellt werden mussten, nahelegt. Also wurde vermutlich aus Rohöl primär Treibstoff und nur sekundär andere Stoffe hergestellt. Auch das scheint sich durch die Zulieferfunktion der Ofen-Anlagen zu bestätigen.
Also kann man aller Wahrscheinlichkeit beim Dachs auch nicht von einer Raffinerie sprechen, denn hier wäre das Zielprodukt sicher Treibstoff und kein Nebenprodukt wie Schmieröl gewesen.
Betrachten wir jetzt mal die Zulieferer, die da sein sollten Ofen 1/2, Ofen 3/4, Ofen 5/6 und Ofen 37/38.
Zusammen sollten diese eine monatliche Menge Rohöl von 23000 Tonnen primär zu Treibstoffen verarbeiten. Bei dieser art der Raffinerie entfallen auf Schmierstoffe 1,5%, also monatlich rund 345 Tonnen Schmieröl bzw. Schmieröltaugliche Stoffe. Geht man von 30 Arbeits-/Produktionstagen pro Monat aus, so sollten im Dachs 11,5 Tonnen Schmieröl täglich hergestellt werden. Das entsprich in etwa einem Fünftel des Fassungsvermögens eines heutigen 4 achsigen Kesselwagons!
Eine andere Quelle spricht hingegen von geplanten 5500 Tonnen Schmiermittel monatlich. Legt man die bekannten Verfahren zugrunde, entspricht das widerum einer Menge von rund 370000 Tonnen Rohöl monatlich. Das widerum übersteigt die Kapazität der Ofenanlagen um mehr als das 15-fache. Und hierbei wird noch nicht die Frage erörtert, wo diese Mengen an Rohöl überhaupt herkommen sollten und wie sie transportiert, gelagert und verarbeitet werden sollten.
Nach Dietrich Eichholz "Geschichte der Deutschen Kriegswirtschaft" lag die Gesamtförderung deutschen Erdöls mit Stand März 1945 bei 160000 Tonnen monatlich.
Spielte synthetischer Treibstoff und dessen Nebenprodukte doch eine Rolle? Aber dann ist der Begriff Raffinerie bestenfalls irreführend.
Das vom Reichluftfahrtminister eingerichtete Projektkonto für die Anlage "Dachs" trug den Namen UHDE. Zufall? Uhde war ein Chmiker, der sich ebenfalls mit der Kohleverflüssigung befasste.
Wenn es um die Weiterverarbeitung von Nebenprodukten aus der synthetischen Treibstoffgewinnung ging, dann machten aber die Ofenanlagen als Zulieferer keinen Sinn.
Ferner sollte es dann in der Nähe ein Hydrierwerk, ein Kohlebergwerk, viel Wasser und sehr viel Elektrizität gegeben haben. Und natürlich entsprechende Förder- und Verkehrswege.
Zusammenfassend ergeben sich für mich folgende Fragen:
Wozu brauchte man eine Anlage dieser Größe, wenn man täglich keine 12 Tonnen Schmieröl produzieren konnte/sollte? Eine mittelgroße Lagerhalle hätte es vermutlich auch getan.
Wurde der Dachs doch mit Rohöl beliefert?
Gab es Einbauten zum Destillieren (hoher Energiebedarf!)?
Wurden im Dachs Stoffe aus der synthetischen Treibstoffproduktion verarbeitet? Dann war aber kein Rohöl im Spiel
Sollten möglicherweise mehrere Verfahren zum Einsatz kommen?
Warum wurden in der direkt angrenzenden U-Verlagerung "Stöhr" Röhren produziert?
Die gesamte Kohle- und Petrochemie arbeitete für gewöhnlich im engen räumlichen Verbund. Insbesondere seit das Reich massiv aus der Luft angegriffen wurde, war ein exzessiver Transport riesiger Mengen an Rohstoffen überirdisch auf bekannten Verkehrswegen ein extrem hohes Risiko und vermutlich ab den späten Monaten des Jahres ´44 auch mitlerweile ein nahezu unmögliches Unterfangen.
Natürlich sind meine schnell herangezogenen Quellen keine sicheren Erkenntnisse, sie stammen von den unterschiedlichen Netzseiten, die sich mit dem Dachs und den Ofen-Projekten befassen.
Bei einem ersten Überfliegen der Angaben erschienen mir die Aussagen zum Dachs teils unwahrscheinlich und teils widersprüchlich (Hydrieranlage - Raffinerie).
Mein erster Eindruch sagt mir, daß sich alle Netzseiten mehr oder weniger auf die selben Quellen stützen, wobei meist einer bei dem anderen abschreibt.
Eine Seite behauptet z.B., daß eine Hälfte der Produktions der Zielprodukte der Anlage Ofen 1/2 auf den freien Markt und die andere Hälfte dem Dachs zur Verfügung gestellt werden sollte. Wozu sollte man die Hälfte der Treibstoffproduktion in den Dachs verbringen? Das ergibt keinen Sinn. Und was war 1944 ein "freier Markt"?
Ich habe eine vergleichbare Diskussion zu den Begriffen und dem Verwendungszweck vom Dachs nicht finden können, sollte ich da etwas übersehen haben bitte ich um Zusammenlegung und Entschuldigung.