17. Mai 1943:
Zerstörung der Möhnetalsperre
In einer Spezialoperation, der Operation "Chastise" ["Züchtigung"], gelang es dem Bomber Command in der Nacht zum 17. Mai 1943 die massiv gebaute Staumauer der 1913 eingeweihten Möhne-Talsperre zu zerstören. Intention des Angriffs war die Vorstellung der Zielplaner, das Ruhrgebiet durch Wasser- und Energiemangel lahmzulegen sowie die Verkehrsverbindungen im Ruhrtal zu zerstören. Dabei überschätzte das Bomber Command die energiewirtschaftliche Bedeutung der Talsperren im Bereich des Ruhrsperrenvereins sowie die Möglichkeiten auf deutscher Seite, die wichtigsten Sachschäden in relativ kurzer Zeit zu reparieren.
In der Nacht des 16./17. Mai 1943 sollte nach den Plänen des Bomber Command nicht nur die Möhne-Talsperre von dem kleinen mit 19 viermotorigen Lancaster-Bombern ausgerüsteten Verband angeflogen werden, sondern auch die benachbarten Staudämme der Sorpe, Lister und Ennepe sowie die Eder-Talsperre. Während die ersten drei Talsperren nur geringe Schäden erlitten, wurde die Eder-Talsperre hingegen ebenfalls zerstört. Die Zerstörung der 40 m langen und 35 m hohen Staumauer der Möhne-Talsperre, die ein Fassungsvermögen von 135 Millionen Kubikmeter besitzt, führte zu schwerwiegenden Auswirkungen, die im Rückblick noch heute als "Möhne-Katastrophe" öffentlich rezipiert wird.
Der Angriff war vom Bomber Command sowie vom Konstrukteur der "Rollbombe", Waffenentwickler Barnes Wallis, seit längerer Zeit vorbereitet worden. Eine eigens für diese Operation aufgestellte 617. Bomberstaffel unter Kommandeur Guy Gibson probte den Angriff zuvor an Modellen und Staudämmen in England.
In der verheerenden Hochwasserflut der Ruhr, ausgelöst durch den Bruch der Staumauer infolge der Bombardierung, kamen nach öffentlichen deutschen Presseverlautbarungen mindestens 1.600 Menschen ums Leben. Bei ihnen handelte es sich überwiegend um ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in der im Ruhrtal gelegenen Kleinstadt Neheim. Die entstandenen Sachschäden waren für die Ruhrindustrie zwar nicht existenzbedrohend, aber dennoch schwerwiegend und in den im Ruhrtal gelegenen Klein- und Mittelstädten von nachhaltiger Wirkung.
Die Zerstörung und zeitweilige Lahmlegung von Wasser- und Elektrizitätswerken im Ruhrtal, so z.B. der wichtigen Elektrizitätswerke am Hengsteysee bei Hagen, bewirkten Produktionsausfälle in der Industrie im gesamten östlichen Ruhrgebiet. Bis Ende Juli 1943 konnten diese indirekten Angriffsfolgen weitgehend behoben werden. Die Schadensbeseitigung sowie Präventivmaßnahmen führten jedoch zu einer starken Bindung von militärischen Einheiten sowie Arbeitskräften und Material. Der Angriff auf die Möhnetalsperre war durchaus ein "schwerer Schlag" gegen die Industrie, vor allem im Einzugsgebiet des östlichen und südöstlichen Ruhrgebiets. Im Überschwemmungsgebiet des Ruhrtals wurden zahlreiche eisenverarbeitenden Industrien getroffen, so dass dort z.B. 45 % des gesamtdeutschen Produktionsaustoßes von Ketten (z.B. Ankerketten für die Marinerüstung) langfristig ausfiel. Die Stahlwerke, Kokereien und Hydrierwerke im östlichen Ruhrbiet waren z.T. aufgrund Wassermangels übergangsweise zur Produktionseinstellung gezwungen.
Die Rückwirkungen des Talsperren-Angriffs gestalteten sich umso schwerer, da die britischen Bombenangriffe auf Dortmund am 04./05. und 23./24. Mai 1943, der Präzisionsangriff auf die Möhne-Talsperre am 16./17. Mai 1943 und der schwere Flächenangriff auf Bochum am 13./14. Mai 1943 das engmaschige Versorgungs-, Arbeits- und Verkehrsnetz im östlichen Ruhrgebiet zerissen hatten. Die im Mai 1943 von zwei schweren Luftangriffen betroffene Stadt Dortmund zeigt diese Feststellung exemplarisch auf. So fiel z.B. die Produktion von Bauteilen für "Würzburg"- und "Mannheim"-Flakradargeräte bei der Dortmunder-Union-Brückenbau AG aufgrund fehlender Stromversorgung im Mai 1943 vollständig aus. Die Produktion von Bomben bei der Firma Carl Treeck in Dortmund erlitt einen Ausfall von 50%. Im Werk Hörde des Dortmund-Hörder-Hüttenvereins konnten im Mai 1943 insgesamt 17 komplette Bausätze für den Panzer V "Panther" nicht fertiggestellt werden. Nachhaltiger erwiesen sich die Ausfälle in der Fördermenge der Dortmunder Kohlezechen. Die Ursache für diese Einbußen bei der Kohleförderung war weniger durch direkte Bombenschäden, sondern durch Ausfälle der zumeist ausländischen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen aufgrund von Flucht, Krankheit oder Tod durch die Bombenangriffe im Mai 1943 zu suchen.
Unmittelbar nach dem Angriff auf die Möhne-Talsperre setzten die Wiederaufbauarbeiten ein. Albert Speer, Reichsminister für Bewaffnung und Munition, etablierte im Ruhrgebiet einen "Ruhrstab" zur Koordinierung der Reparatur- und Präventionsmaßnahmen im gesamten Industriegebiet. Die Organisation „Todt“ wurde in Teileinheiten vom "Atlantikwall" abgezogen und ins Ruhrgebiet verlegt. Dort war sie unter anderem für den Wiederaufbau der Staumauer der MöhneTalsperre zuständig, der unter Einsatz von Tausenden von Zwangsarbeitern bereits im Oktober 1943 abgeschlossen werden konnte. Gleichzzeitig erhielten sämtliche wasserwirtschaftlichen Anlagen und Talsperren im Einzugsgebiet der Ruhr einen verstärkten Flakschutz.
Verfilmt:
Mai 1943 – Die Zerstörung der Talsperren (im Original The Dam Busters) ist ein britischer Kriegsfilm des Regisseurs Michael Anderson aus dem Jahr 1954.
Quellen:Wiki,London Archiv and many more