Ein Gang durch den Wewelsburger Tunnel am 13. Oktober 2013
Als ich am vergangenen Wochenende mal wieder in meinem Heimatdorf weile und es mich ob des schönen Wetters nicht im Haus hält, kommt mir beim Gang ins schöne Tal der Alme in den Sinn, dass ich ja mal den Zustand der alten Bahnstrecke in Augenschein nehmen könnte. Vor etwa fünfzehn Jahren dienten die stillgelegten Bahnanlagen mir und meinen Freunden als der schönste Abenteuerspielplatz, den sich ein Grundschüler wünschen konnte. Und einige Jahre später, bevor 2006 die Gleise demontiert wurden, bin ich mehrfach mit einer Museumsbahn die Strecke Paderborn-Büren abgefahren. Danach war es interessant, der Strecke bei der zunehmen Verwilderung zuzuschauen, während in den Feuilletons der Lokalzeitungen noch über eine Reaktivierung der Strecke phantasiert wurde, die aber spätestens nach der Demontage illusorisch war, doch auch zuvor als zumindest unrentabel erscheinen musste. Die Strecke hat einfach einen elementaren Konstruktionsfehler: Sie liegt im Tal, die anliegenden Ortschaften jedoch größtenteils auf den anliegenden Höhen, weswegen potentielle Fahrgäste jedesmal eine erhebliche Wegstrecke in Kauf nehmen müssten. Die Haltestellen der heutigen Buslinien liegen hingegen zentral in den Dörfern. Wegen des Höhenunterschieds ist auch ein Anschluss des nahegelegenen Flughafens Paderborn-Lippstadt technisch nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand machbar.
Mir ist bekannt, dass der Wewelsburger Tunnel seit einiger Zeit mit Stahlmatten abgesperrt ist - ebenso ist mir aber bekannt, dass die Stahlmatten von unbekannter Hand immer mal wieder soweit gelockert werden, dass man den Tunnel betreten kann, bis das zuständige Amt die Absperrung wieder erneuert. Zunächst jedoch begutachte ich die Brücke über die Alme, die ebenso abgesperrt wurde. Es wäre zwar möglich, am Gitter vorbeizuklettern, aber auch gefährlich, sodass ich es bei der äußeren Betrachtung belasse. "Betreten der Baustelle verboten" steht daran - welche Baustelle?
Sodann bahne ich mir einen Weg durch das inzwischen doch recht hohe und nur von Spaziergängern noch einigermaßen durchdringlich gehaltene Gestrüpp zum Tunnel - und habe Glück: Das Gitter ist an einer Seite locker, sodass ich ihn betreten kann. Im Tunnel, der auf einer Länge von 143 m Ende des 19. Jahrhunderts durch den massiven Kalkfelsen gesprengt und gegraben wurde und der mit örtlichem Kalkstein vermauert ist, sind noch die Spuren der Demontage zu sehen. Während der größte Teil der eingleisigen Strecke mit Eisenschwellen versehen war, die bei der Demontage der Strecke abtransportiert wurden, befanden sich in Tunneln und auf Brücken jeweils Holzschwellen, die für den Investor keinen Wert hatten und daher zurückgelassen wurden. Das Mauerwerk des Tunnels ist noch vollständig intakt. An der Decke zeichnen sich die Rußspuren unzähliger Dampflokomotiven ab, außerdem sind kleine Stalaktiten zu sehen - Spuren des einsickernden Regenwassers. Der Kalkstein, durch den der Tunnel getrieben ist und aus dem seine Mauer besteht, ist zwar wasserdurchlässig, aber trotzdem solide. Einsturzgefährdet ist das Bauwerk nicht. In Regelmäßigen Abständen befinden sich in der Wand Nischen, in welchen man sich, sollte man beim Durchschreiten des Tunnels von einem Zug überrascht werden, unterstellen konnte. Aus einer dieser Nischen sind ein paar Steine herausgebrochen - Vandalismus oder doch erste Auflösungserscheinungen? Angesichts des ansonsten unbeschädigten Mauerwerks tippe ich auf ersteres.
Ich durchschreite den Tunnel weiter, der früher auch eine willkommene Abkürzung des Fußwegs von Wewelsburg ins Nachbardorf Ahden war. Er beschreibt eine leichte Biegung, dennoch hat man, wenn draußen die Sonne scheint, die ganze Zeit genug Tageslicht, um auch ohne Taschenlampe seinen Weg zwischen den alten Schwellen zu finden. Teile des Schotterbetts sind auch ganz schwellenfrei. Dennoch sollte man aufpassen, wohin man tritt, denn Handyempfang hat man hier drin nicht, sodass ein verknackster Fuß durchaus zum Problem werden könnte. Am anderen Ende angelangt, das auch vergittert ist, habe ich wieder Glück. Auch hier ist das Gitter an der Seite etwas locker, sodass ich hinausschlüpfen kann.
Auf dieser Seite des Tunnels ist das Gestrüpp auf der Strecke noch dichter. Die ersten Meter gehen noch, auf einem kurzen Abschnitt ist sogar das gesamte Schotterbett fast bewuchsfrei, doch dann ranken Brombeeren und Hagebutten so weit und so hoch, dass ich froh bin, meine Jeansjacke zu tragen - und zwischendurch doch ein paar Dornen spüre. Und dann ist wieder Schluss - an einer kleinen Brücke versperrt eine weitere Gittermatte den Weg. Ein Blick hindurch zeigt, warum: Bis auf zwei schmale Betonstiege ist die Brücke nicht mehr zu sehen. Hier haben vor ein paar Jahren Schrottdiebe zugeschlagen und die eiserne Brückenkonstruktion demontiert. Bevor sie sie abtransportieren konnten, wurden sie allerdings von der Polizei gestellt. Seitdem liegen die demontierten Teile unterhalb der Reste der eigentlichen Brücke und rosten vor sich hin. Ich klettere vom Bahndamm hinunter, um die Sache näher in Augenschein zu nehmen, und stelle fest, dass auch hier unten Gitter montiert wurden, sodass die kleine Brücke auch nicht mehr unterschritten werden kann. Nunja, denke ich mir, das war wohl genug Erkundung für einen Nachmittag, und gehe über den anliegenden Feldweg, zurück nach hause. Bleibt mir nur, mich zu ärgern, dass ich außer meiner Handykamera keinen Fotoapparat dabeihatte.