Reichlich Bilder zu der Danziger Freiheit sind hier ja schon eingestellt, also brauch ich meine nicht auch noch hochladen.
Mir ist aber aufgefallen, dass bisher kaum etwas zur Geschichte des Bunkers verfasst wurde, gerade weil er der Bunker ist, mit einer der dramatischsten Geschichten Dortmunds.
Als grobe Fakten sind zu nennen, dass der Bunker 1941, aus Reichsmitteln, erbaut wurde.
Er besitzt eine Grundfläche von circa 30m x 35m á 1000m² für 1000-2000 Personen, war aber während des Kriegs wie viele Bunker regelmäßig überbelegt.
Er hat 3 Eingangsbauwerke, besitzt über 77 Einzelräume, dabei unter anderem einen Raum für den Bunkerwart, einen Sanitätsraum, zwei Heizräume, zwei Lüfteranlagen (kombiniert elektronisch und Handbetrieb. Anton Piller von 1941), Sanitäranlagen, eine Elektroeinspeisung und Verteilung, sowie einen Tiefbrunnen mit 11,76m Tiefe.
Interessant ist auch, dass Futtertröge aus der Landwirtschaft als Waschbecken verwendet wurden, unter den Bänken die Heizungsrohre verlaufen und sein Name vom damligen Brückmannplatz stammt, der vormals Danziger Freiheit hieß.
Es gibt eine Vielzahl von ausführlichen Zeitzeugenberichten zu der Anlage, wovon ich einige folgend aufschlüssel:
Der Bunkwart war 1943/1944 ausgebomt und wohnte im Bunker. Belegt waren der Raum „Bunkerwart“ sowie der Raum gegenüber, in welchem ein Doppelstockbett stand.
Weihnachten 1943 schmückte der damalige Verwalter den Bunker mit einem Weihnachtsbaum, Tannengrün, Kugeln und Lametta um die Lampen, um den Menschen in der schwierigen Zeit eine Freude zu machen.
Im Oktober 1944 schlug dann ein Volltreffer, in den Raum wo die Kinder untergebracht waren, ein und tötete fast alle Zufluchtsuchenden.
Von dem Tag handeln zwei gut dokumentierte Zeitzeugenberichte, von Valentin Frank und Hans-Jürgen Neukirchen:
Der Schlimmste und schönste Tag meines Lebens, Valentin Frank, 6.10.1944:
"Um ungefähr 19 Uhr kreuzen plötzlich Vater, fast 57, und Mutter, 50-jährig, die vor den Nazis ins Münsterland geflohen waren, aus Sorge um mich in der Heiligegartenstraße im Dortmunder Norden auf. Herzzerreißende Szenen der Wiedersehensfreude nach zehn Monaten Ungewissheit und seelischer Belastung. Die Eltern wollen für eine Nacht bei Tante Else und Onkel Hermann in der Inselstraße im Nordosten der Stadt untertauchen. Etwa eine Stunde darauf ertönen die Sirenen, Voralarm! Schnell die Treppe herunter, trennen sich vor dem Haus unsere Wege in verschiedene Richtungen mit Tränen und Umarmungen. Während die Eltern in den auf ihrem Weg liegenden Bunker ,Danziger Freiheit‘ gehen wollen, suche ich im Laufschritt den Bahnhofsbunker auf. [...]"
Nach dem Luftangriff, den er leichtverletzt knapp überlebt, und den anschließenden Aufräumtätigkeiten im Bahnhofsbereich schreibt er folgendes:
"[...] Mein Weg zur ,Danziger Freiheit‘ sollte zu einer der schlimmsten Erinnerungen meines Lebens werden.
Es ist fast Morgen.
Nur wenig Licht fällt in den Bunker, Strom und Notaggregat sind ausgefallen.
Nur wenige Menschen haben einen Volltreffer überlebt.
Wie in einer Todesfalle sitzen oder liegen mehrere Tote mit geplatzten Lungen auf Bänken und Betonboden.
Draußen und drinnen rühren sich nur jene, die verzweifelt Angehörige suchen, vereinzelt auch finden und in Schreikrämofe ausbrechen.
Einer von ihnen bin ich.
Fassungslos und tränenüberströmt schrei ich es in die Welt: ,Mama, Papa, nein, nein, warum bloß?‘
Knie vor ihnen nieder.
Sie liegen dort, als schliefen sie, in ihrer mir vertrauten Kleidung: Mama mit schwarzem Hut, Mantel und dunkler Reise- und Handtasche, Papa grau gekleidet, schwarzer Aktentasche und dunklem Stockschirm.
Ihre gleich großen, kleinen Gestalten und die vielen Zufälligkeiten verstellen mir den Blick und vernebeln meine Sinne.
Jegliches Gefühl für die Realität ist verloren gegangen.
Dem Wahnsinn nahe, renne ich zur Inselstraße, um Beistand, Trost und Hilfe zu suchen in meiner schier endlosen Verzweiflung.
Unterwegs rufen einige Menschen: ,Junge, was ist, warum weinst du?‘
,Mama und Papa sind tot!‘
Die mich kennen, sagen: ,Die sind doch gar nicht in Dortmund, Junge, das musst du dir einbilden!‘
Endlich erschöpft angekommen, gehe ich die Treppe zur ersten Etage hinauf, klopfe, schelle und rufe wieder, fast schon ohne Stimme: ,Mama und Papa sind tot!‘
Tante Else öffnet und sagt lächelnd: ,Beruhige dich, Valentin, mein Junge, guck mal, wer da am Küchentisch sitzt.‘
Mir bleibt fast das Herz stehen, kann es nicht fassen.
Wir fallen uns in die Arme, drücken und küssen uns, Tränen ohne Ende.
Es ist wie eine Wiedergeburt, der schönste Tag meines Lebens.
Ich brauche viel Zeit, um all das zu begreifen, und frage erst, als ich mich einigermaßen gesammelt habe: ,Mama, wart ihr etwa gar nicht im vereinbarten Bunker?‘
,Nein, das hätten wir niemals geschafft, es ging alles so schnell, dass wir im Keller eines Hauses am Anfang der Bornstraße gelandet sind, das Gott sei Dank kaum etwas abbekommen hat.‘ [...]"
Hans Jürgen Neukirchen gibt in einem Interview mit dem WDR, am 28.11.2009, an, dass er als Kind oft im Bunker zuflucht suchte und den Volltreffer, aufgrund glücklicher Umstände, überlebte.
Er erzählt, dass er an dem Tag an Scharlach erkrankt war und von den anderen Kindern isoliert untergebracht wurde und dadurch den Volltreffer überlebte. Auf die Frage wie er sich fühle, als einer von wenigen überlebt zu haben, antwortete er knapp: "Glück gehabt."
Den Zeitzeugenbericht von Valentin Frank hab ich in ungekürzter Fassung, als Bild, angehangen.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Bunker dann instandgesetzt und als Obdachlosenasyl nachgenutzt. Die blaue Farbe und die Tapeten in den Einzelräumen, sowie viele auffindbare Relikte stammen wohl aus dieser Zeit.
1958 plante die Stadt Dortmund den Bunker, laut Aussage der Stadt "ein recht häßliches Überbleibsel aus der Kriegszeit" einem besseren Verwendungszweck zuzuführen und das Obdachlosenasyl zu räumen. Es wurde erwogen, die Fundamente aufzustocken und Probensäle für die städtischen Orchester sowie einige Büroräume für die Verwaltung und Volkshochschule auszubauen. Der neue Bau sollte darüber hinaus harmonisch in einem vom Fritz-Henßler-Haus architektonisch bestimmten Gesamtkomplex einbezogen und mit Grünanlagen umrandet werden.
Diese Pläne wurden, glücklicherweise, nie realisiert.
Ich finde eine sehr beeindruckende Anlage, die eigentlich, aufgrund ihrer Geschichte und der vielen Relikte, prädestiniert dafür ist eine Mahn- und Gedenkstätte einzurichten.
Mit wenigen dezenten Lichtakzenten und Originalstruktur belassen, könnte man dort sehr gut Führungen zu den Schrecken des zweiten Weltkriegs anbieten und diese den nachfolgenden Generationen begreifbar machen.
Schade nur, dass von offizieller Seite da kein Interesse besteht und von zivilgesellschaftlicher Seite ebenfalls keine Strukturen und kein Wille vorhanden sind, um dies zu realisieren.