Guten Abend! Ich habe die Seite und den Beitrag gerade erst entdeckt. Ich habe an diesem Standort von 1994 bis 1998 meine Ausbildung bei der DB AG genossen. Ich kann die meisten, wenn nicht alle Fragen rund um das BW Kassel 2, wie es in den 1990er Jahren hieß, lüften.
Das eigentliche Betriebswerk im Lokschuppen wurde 1998 nach Umbau der ehemaligen Postumschlaghalle am Hbf dorthin verlegt und am hiesigen Standort geschlossen. In dem gelben Gebäude hinter der Drehscheibe befand sich die Lehrwerkstatt für die Elektroberufe. Schlosser wurden im Aw Kassel ausgebildet, wohin auch die E-Ausbildung in (ich glaube) 2004 verlegt wurde. Ab 1998 war also schon deutlich weniger los im Gleisdreieck. In meiner Lehrzeit ging hier noch richtig der "Punk" ab. Loks wurden gewartet und betankt, gedreht (weil Kassel Hbf ein Sachbahnhof ist), die verschiedensten Instandhaltungskolonnen für Hochbau, Sanitär, Elektro waren hier ansässig. Es gab eine eigene Kantine für das Bw, Lokführerübernachtungen waren hier ebenfalls untergebracht.
Zum gelben Gebäude, der Lehrwerkstatt: Das Gebäude wurde um 1900 als sogenanntes "Betriebsstoffhauptlager" gebaut und lange so genutzt. Das Treppenhaus mit der Stahlwendeltreppe war ursprünglich ein Lastenaufzug. Auf den einzelnen Etagen wurden die verschiedensten Stoffe für das Bw gelagert: Öle, Fette, Reingungsmittel, Putzwolle etc... Der flache Bau der sich an das gelbe Gebäude anschließt wurde zu unbekannter Zeit (vor dem 2ten Weltkrieg) angebaut und diente als Lagergebäude mit rückseitiger Laderampe. Der in einem Beitrag beschriebene "Steinwall" bildete das Fundament für einen Bunker unter diesem Lagergebäude. 1975 wurde das Betriebsstoffhauptlager zur Lehrwerkstatt umgebaut, die Ausbildung wurde vorher im Dienstgebäude der Flm (Fahrleitungsmeisterei) durchgeführt. Das ist das Gebäude rechts nach dem Tunnel bzw. Brücke welches heute noch genutzt wird. Mit steigender Azubizahl im Lauf der Jahre wurde die Lehrwerkstatt mehrfach umgebaut und erweitert bis eben Anfang der 2000er Jahre die Ausbildung ins Ausbesserungswerk (Aw) Kassel verlegt wurde.
Zu dem "Insektenhotel": Die beiden kleinen Gebäude im Außenbereich dienten ursprünglich als Lagergebäude für Explosivstoffe und wurden später im Lehrbetrieb als "Übungshaus 1 und 2" genutzt. Hier wurde Aufputzinstallation gelehrt und geübt. Die vielen Löcher stammen daher, das hier immer wieder Löcher für Kabelschellen und Aufputz-Schalter, -steckdosen usw. gebohrt wurden.
Die beiden Waggons neben dem Öllager: Der Flachwagen aus dem Aw Schwerte diente als variables "Kranprüfgewicht" um z.B. Hallenkrananlagen zu überprüfen. In meiner Lehrzeit waren die Wagen hier schon abgestellt. Der Bereich hinter den großen Öltanks war zu Dampflokzeiten Kohlehalde. auf den Fundamentmauern sind noch Schienen erhalten auf den damals eine Krananlage fuhr, welche die Bekohlungsanlage im Bw beschickt hat.
Die vielen Luftschutzeinrichtungen stammen natürlich aus dem zweiten Weltkrieg. Das Bw selbst wurde nur an einer Stelle hart getroffen soweit ich weiß. Und zwar im Bereich wo heute die moderne Tankanlage steht befand sich die dritte Drehscheibe mit einem Ringlokschuppen. Bei diesem wurde das komplette Dach bei Luftangriffen zerstört und nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut. Drei große Schornsteine kennzeichneten das Bw Gleisdreieck schon von weitem. Die Schornsteine und der Ringlokschuppen wurden Ende der 1960ger Jahre abgerissen.
Dienstlich habe ich immer mal wieder im Gleisdreieck zu tun und habe, wenn möglich, auch der Lehrwerkstatt einen Besuch abgestattet. Heute wollte ich mal wieder vorbeischauen, da sah ich schon von weitem das hier Abbrucharbeiten im Gange sind und musste mit etwas Wehmut feststellen, das das Gebäude der Lehrwerkstatt bereits komplett verschwunden ist :-(
Wenn weitere Fragen zum Bw oder den anderen Anlagen im Gleisdreick Kassel bestehen könnt ihr mich gerne Fragen. Ich versuche sie nach bestem Wissen zu beantworten. Wenn jemand Bilder vom Abriss des gelben Gebäudes hat, wäre ich daran sehr interessiert....