Wohl wahr, eine zunächst fast aussichtslose Aufgabe, die sich der Betreiber der einstigen Troposphärenfunkzentrale 302 gestellt hat. Mit der Ansprache Bad Sülze war sie im Sprach-gebrauch zu Zeiten der DDR nur wenigen Eingeweihten bekannt. Als Stütznachrichtenzentra-le 302 Langsdorf im gedeckt vorbereiteten Nachrichtensystem der NVA kannten sie die Nachrichtenorgane in den höheren Führungsebenen. Der Betreiber hat die Bunkeranlage für Interessierte an Militärgeschichte der DDR, Urlauber, Touristen und Neugierige begehbar gemacht, will damit ein Mahnmal setzen gegen Wettrüsten und den Kalten Krieg.
So man in der Nähe ist sollte man einen Besuch einplanen. Die eigenen Ansprüche sollten nicht zu hoch geschraubt werden. Der Besucher betritt weder ein Geisterschiff noch ranken sich heimliche Geschichten um den Bunker. Man riecht weder Offiziere noch Mannschaften, geschweige denn wurde dort jemals ein Gebet gen Himmel geschickt. Die Dramatik der vor-gestellten Gefechtssituation soll an das menschliche Ende in einen Atomkrieg erinnern. Es soll sicher auch ein wenig Ersatz für die doch spärlich vermittelten militär-geschichtlichen Hintergrundinformationen zu Funktion und Zweckbestimmung der Anlage und des Tropo-sphärensystems in seiner Gesamtheit darstellen. Sicher ist die als mahnende Erinnerung dar-gestellte Inszenierung nicht schlecht gemacht, doch hatte die Anlage damit nichts zu tun. Genau das ist das Problem vieler Besucher, worüber sie in Internetforen berichten. Sie klagen über die Art und Weise wie ihnen begegnet wird, über die wenigen vermittelten und zusam-menhängenden Informationen zum System. Ihre Fragen finden sie wenig überzeugend beant-wortet. Literatur und Informationen stehen inzwischen hinreichend zur Verfügung. Auch ein Sachbuch des Betreibers der Anlage mit dem Titel „Geheimobjekt Atombunker“ steht zur Verfügung. Siehe dazu die Rezensionen.
Wie überall, so auch hier bei einem Besuch gilt der Grundsatz, jeder bildet sich sein eigenes Urteil. Für Außenstehende, Unkundige, mit der Sache nicht Befasste ein allerdings schwieri-ges Unterfangen. Er hat nur zwei Möglichkeiten, Gauben und Folgen oder Hinterfragen, sich mit der Geschichte richtig auseinandersetzen, selbst recherchieren.
Der Bunker in Eichenthal stellt weder eine Sensation noch etwas Besonderes im Vergleich mit anderen Bunkeranlagen in Ost und West dar. Als „einzigartig“ wird er seiner Inszenie-rung wegen angeboten. Gelegentlich und verbreitet ist zu lesen:
- das der Bunker dem Bunker der Bundesregierung in Ahrweiler gleichgestellt ist,
- zwischen dem Bunker und der Führungsstelle der Rotbannerflotte ein extra Fernmeldekabel verlegt wurde,
- der Betreiber der Anlage ist Sachverständiger für Bunkeranlagen,
- das die abhörsichere Kommunikation nach einem Atomschlag aufrecht erhalten wird,
- das der Bunker im Ernstfall mit sowjetischen Offizieren bemannt worden wäre,
- das der Bunker eine strategische Nachrichtenzentrale darstellte,
- das der Atombunker während der Zeit des Kalten Krieges Militärhistorisches Sonderobjekt 302 hieß,
- das er als einer von wenigen Bunkern einem Atomschlag standhalten sollte,
- das der Bunker von 6 m, 9 m, an anderer Stelle von 12 m Erde überdeckt wird,
- das der Zugang in den Bunker 125, 130, auch 180 m lang ist,
- das die Besatzung aus 30, 42 und 50 Personen bestand,
- das die Anlage 1986 fertig gestellt wurde, usw.
Die Aussagen in den einzelnen Beiträgen sind sehr widersprüchlich, einzelne auch richtig falsch, ma-chen aber die Anlage interessant.
Der Bunker ist einer von drei in der DDR errichteten Typenbauten. Über seiner Bunkeroberfläche liegt eine Sand- und Kiesschicht mit einer Höhe von 1,05 m, zur Mitte hin auf 1,20 m ansteigend, darüber eine Betonglocke mit einer Dicke von 0,60 m, überdeckt mit einem Erdaufwurf von ca. 0,65 m. Zu bemerken bleibt der relative Leerstand des Bunkers an Troposphären- und allgemeiner Nachrichten-technik und die Tatsache, dass der Bunker nicht 1986, sondern erst 1988 fertig gestellt wurde. Schon ein Jahr früher ging das strategische Troposphären Nachrichtensystem ohne die Station Langsdorf / Eichenthal in Betrieb.
Darin unterscheidet er sich von den beiden anderen Bunkern in Wollenberg und Röhrsdorf. Er ver-blasst im Schatten des „Glanzes“ dieser, deren Bedeutung aus operativ- strategischer Sicht seinerzeit weitaus höher eingestuft war. Es waren operative, finanzielle und ökonomische Gründe in der DDR und im Ausland die zu Änderungen in der Planung des Systems führten. Nach Fertigstellung des Bun-kers der „302“ blieb er unter Berücksichtigung seines technischen Ausrüstungsgrades im System „fast“ bedeutungslos. Bei Kenntnis der Sachlage ist dieser Umstand vermittelbar, den Besuchern er-klärbar.
Die gebotenen Erklärungen zu verstehen, sie zu werten bleibt allein Sache des Besuchers. Ergänzend dazu stehen ihm inzwischen Aussagen von Insidern im Internet und in der Litera-tur zur Verfügung. Die hier dargelegten Fakten und Beispiele möge der Leser als interessant, verklärt, unwahr, spekulativ oder auch als spektakulär empfinden. Zu empfehlen ist ein Be-such im Bunker Langsdorf/ Eichenthal alle mal. Gleichzeitig wird der Besuch im Bunker Wollenberg empfohlen. Er stellte die einzige Gegenstelle für die 302 dar. Besucher werden hier nicht nur optisch, sondern auch militärgeschichtlich eine bemerkenswerte Führung erle-ben. Er findet den Bunker im Originalzustand von 1990 vor.