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Bunker an einem Kettwiger Seniorenheim

Arcadefan

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Bericht aus der WAZ vom 28.10.2025:

Unterirdischer Bunker aus der Nazi-Zeit liegt im Dornröschenschlaf


An einem Kettwiger Seniorenheim gibt es einen zweigeschossigen Schutzraum noch fast im Originalzustand.
Dieser hatte im 2. Weltkrieg eine bestimmte Funktion.

Täglich fahren Besucher über die kleine Zuwegung zum „Haus Kettwig“ am Karlsbader Weg, Bewohner und Mitarbeiter des Seniorenheimes gehen über das graue Pflaster.
Niemand ahnt, was sich darunter verbirgt.
Das, was hier im Erdboden liegt, ist 85 Jahren alt und scheint selbst bei älteren Kettwiger Bürgerinnen und Bürgern fast in Vergessenheit geraten zu sein.

Im Jahr 1940 baute die Stadt Kettwig an dieser Stelle eine unterirdische Sanitätsstation für Luftkriegsopfer und einen Selbstschutzraum (SSR) für die Kinder der Fichteschule.
Nicht nur eine, sondern gleich zwei Etagen reichen hier in die Tiefe, in Beton ausgeführt.
Seit 1950 ist der Keller verschlossen und liegt in einer Art Nachkriegs-Dornröschenschlaf.
Jetzt gibt es aktuelle Fotos von den Räumen.

In den gefliesten Räumen sind noch Duschrohre vorhanden

Im Seniorenheim wurde gelegentlich über den unterirdischen Bunker gesprochen.
Als Bewohnerin Ursula Witkowski (82) vor einigen Wochen in dieser Zeitung den Bericht über den „vierten Bunker“ in Kettwig – er stand an der früheren Fichtestraße und wurde Anfang der 1950er Jahre zum Firmengebäude der Likörfabrik „Becher-Bitter“ umgebaut – gelesen hatte, gab sie der Redaktion einen Tipp.
Von ihrem Senioren-Zuhause solle es einen Zugang zu diesem Keller, der ein Bunker war, geben.
Dort unten würden sogar noch alte Bettgestelle stehen.

Betreiber des Altenheimes wie der benachbarten Seniorenwohnlage „Vivat“ ist das Unternehmen „Auvictum“ aus Hanau.
Die Verwaltung obliegt der WH Verwaltungsgesellschaft für eine Wohnungseigentümer-Gemeinschaft (WEG).
Angeführt von Hausmeister Michael Jeising, geht es durch eine stabile Außentür, die nur über einen Niedergang außerhalb des Seniorenheimes zu erreichen ist.
Hier unten ist in den letzten 75 Jahren nur eine Handvoll Menschen gewesen.
Zum Beispiel Handwerker, die die Wasser- und Abwasserrohre des Heimes ganz einfach und praktisch durch die alten Bunkerräume verlegt haben.

Wendet man sich nach links, kommt man durch mehrere Durchgangsräume, zum Teil gefliest, in denen noch Duschrohre und Klo-Abflüsse zu sehen sind.
Vorbei an der alten Heizungs- und Frischluftanlage erscheint im Licht der Lampen auf der rechten Seite eine Schalttafel anno 1940.
Unter jeweils drei dicken Porzellan-Sicherungen stehen Beschriftungen von damals wie „OP-Saal Frauen“ oder „Männer-Abteilung“.

Ein Lazarett für Opfer der Luftangriffe im zweiten Weltkrieg

Was ist hier während der Zeit des Nationalsozialismus gewesen?
Bekannt ist, dass der „Sicherheits- und Hilfsdienst“ (SHD), eine Abteilung des Luftschutzes (LS), hier einen Sanitätsbereich als Tiefbunker anlegte.
Davon haben die beiden damaligen Krankenschwestern Martha Freigang und Luise Emrich im Jahr 1998 der Kettwiger Stadtteilzeitung berichtet.
Zwei Ärzte und mehrere Schwestern sowie einige „Pimpfe“ (Mitglieder bis 14 Jahre des Deutschen Jungvolks) hätten seinerzeit Dienst im unterirdischen Lazarett getan.
Sie waren zuständig für Opfer der Luftangriffe, von denen es auf Kettwig nicht sehr viele gab, dürften sich aber auch um andere Verletzte gekümmert haben.
Hier unten wurde gelitten und vermutlich auch gestorben.

Im vorletzten Kriegsjahr soll es einen besonderen Zwischenfall gegeben haben.
Ein englisches Kampfflugzeug war über Kettwig abgeschossen worden und stürzte in die Fichteschule.
Der Pilot starb.
Zudem wurden bei einem Luftangriff auch Häuser an der Schmachtenbergstraße zerstört, die Verletzten wurden zum Sanitätsbunker an der Fichtestraße transportiert.
So schilderten es Martha Freigang und Luise Emrich vor 27 Jahren der Zeitung.
Der SHD hatte zudem einen Luftschutz- und einen Instandsetzungsdienst.

1941 gab es Pläne für einen Selbstschutzraum der Fichteschule

Zurück zur Erkundung des Tiefbunkers.
Im Stadtarchiv Essen sind bis heute säuberlich die Auftragsakten zu dem Bauwerk abgeheftet.
Helmut Wißler vom Geschichtsausschuss des Heimat- und Verkehrsvereins Kettwig ist eher durch Zufall auf die Mappen gestoßen, als er sich dort für eine anderes Thema umschaute.
Die Stadt Kettwig hatte an dieser Stelle auch einen „Selbstschutzraum“ (SSR) für die Fichteschule in Auftrag gegeben.
Der Architekt Hoddenkamp machte die Planung und die Baumfirma Gartner + Klein die Ausführung.
Daran verdiente dann auch das Fuhrunternehmen Heckmann von der Bahnhofstraße 7.
Denn Heckmanns Lkw-Fahrer brachten 1941 genau 230 Tonnen Zement vom Kettwiger Güterbahnhof zur „Bunkerbaustelle“, wie es auf den Lieferscheinen heißt.

Helmut Wißler erklärt: „Die Rechnungen sind aus dem Ordner für den Selbstschutzraum.
Die Rechnungen wurden 1941 erstellt, 1942 geprüft und landeten 1943 beim Bauamt.
Es ist zum Beispiel vorstellbar, dass der Bunker schrittweise fertiggestellt wurde oder Nacharbeiten erforderlich waren.
Wir werden es nicht schaffen, aus den vorhandenen Unterlagen ein vollständiges Bild zu erzeugen.“
Mit dem Tiefbunker war es aber mit den Bauarbeiten an der Fichtestraße noch nicht vorbei.
1941, eventuell 1942, begann der Bau eines Hochbunkers.

Kettwig war ausgesprochen gut mit Schutzanlagen ausgestattet

Er war schon der vierte Bunker dieser Art, allerdings eher flach.
Die anderen Bunker standen an der Kirchfeldstraße, an der Corneliusstraße und an der späteren Straße An der Seilerei.
Kettwig war damit, neben einigen überdachten Schutzgräben, Ein-Mann-Bunkern und privaten Schutzräumen in den Kellern, ausgesprochen gut mit Schutzanlagen ausgestattet.
Über den Bunker Fichtestraße hatte der damalige Junge Heinrich Bruckhaus dieser Zeitung schon im Sommer kenntnisreich berichtet.

Nachdem Anfang der 1950er Jahre das Gebäude zur Likörfabrik Becher-Bitter umgebaut und in den 1980er Jahren abgebrochen worden war, wusste kaum noch jemand in Kettwig von diesem vierten Bunker.
Zumal es von ihm keine Bauzeichnungen mehr gibt, sodass auch der Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde, Dr. Johannes Müller-Kissing, auf Anfrage der Redaktion schon vor Monaten dazu passen musste.

Der Zweck des jüngeren Mauerwerks ist nicht erkennbar

Noch einmal zurück zu dem Tiefbunker: An mehreren Stellen gibt es Ausstiegsluken nach oben. Gegenstände wie Stühle oder Bettgestelle lassen sich nicht finden.
Überraschend ist, dass es an den Wänden keinerlei Bezeichnungen („Ausgang“) oder Pfeile gibt.
Hat man den etwa 25 bis 30 Meter langen unterirdischen Bau durchschritten, kommt man an zwei Stellen zu einer Abmauerung.
Diese dürften mit Blick auf die Kalksand-Steine aus den 1980er oder 1990er Jahren stammen.
Ihr Zweck ist unklar, Hausmeister Jeising kann dazu auch nichts sagen.
Hinter den Trennmauern geht der Bunker noch weiter.

In einem der Vorräume führt eine schmale Treppe in das zweite Untergeschoss.
Doch dort steht Wasser auf dem Boden, sicherlich einen Meter hoch.
Wer dort Nachforschungen anstellen will, muss entweder das Wasser erst abpumpen oder Anglerhosen bis zur Brust tragen.
Was es aber nicht gibt, ist ein Zugang aus dem Keller des Altenheimes in den alten Bunker.

Was soll aus der unterirdischen Anlage mit ihrem großen zeitgeschichtlichen Wert werden?
Wie langen halten die Betondecken und -wände noch stand?
Wer wird zumindest eine genaue Kartierung und Foto-Dokumentation machen?
Der ungewöhnliche Tiefbunker aus einer Schreckenszeit in Deutschland wirft weiter Fragen auf.

Alle Fotos und der Text unterliegen dem Copyright der WAZ.
Wenn diese hier nicht erwünscht sind bitte löschen.
 

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Interessant das sogar das Notstromaggregat noch da ist...solche "relativ kleinen" Exemplare sind nach dem Krieg üblicherweise abgebaut und anderweitig genutzt worden.

Die Sicherungsautomaten scheinen auch aus den 50er 60er J. zu sein...wenn die dann schon schreiben keinerlei Beschriftungen mehr,wird wohl die ganze Anlage nachgenutzt worden sein ?
 
Im Bericht steht doch, dass es keine Nachnutzung gab und der Bunker seit 1950 verschlossen ist.
Die Sicherungen passen zu den 1940er Jahren und beschriftet sind sie doch, z.B. mit „OP-Saal Frauen“ oder „Männer-Abteilung“.
Auf dem Foto ist auch kein Notstromaggregat zu sehen, sondern ein Teil der Lüftungsanlage.
 
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