Etwas zur technischen Geschichte von HF B und des Lütticher Reviers
Die Geschichte vom Hochofen B und anderen Werken im Lütticher Revier ist ganz interessant und erklärt auch den Zustand der Anlagen.
40er und frühe 50er Jahre: Wiederaufbau
In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurden Hochöfen aus der Vorkriegszeit des ersten Weltkrieges wieder angefahren, um den wachsenden Bedarf nach Stahl zu decken.
1947 waren Hochöfen 2, 3, 4 (Diese Hochöfen wurden 1879 bis 1900 erbaut oder repariert) und 5,6 und 8, welche zwischen 1905 und 1913 erbaut wurden. Der modernste Hochofen ist Hochofen 7 von 1932, der durch den 2. Weltkrieg nicht so stark beschädigt wurde.
1954 schließt die Zeche in Ougrèe.
1955 fusioniert Ougrèe-Marinhaye mit Cockerill in Seraing, Gründe hierfür sind die Möglichkeiten der Rationalisierung.
Späte 50er und 60er-Jahre: Modernisierung und Neubau
1959: Hochofen 7 wird modernisiert. Bau eines neuen Thomas-Stahlwerks, Brechanlage, Sieb- und Agglomeration, Erzhafen- und Erzwaggonentladeanlage
Teilweise sind diese Anlagen immer noch erhalten.
1962: Inbetriebnahme des HF B. HF 3,4 und 5 sind in Betrieb.
1963 : Inbetriebnahme des Stahlwerks Chertal.
Die späten 60er Jahre sind geprägt von Modernisierungen der Hochöfen.
1970 erwirbt Cockerill-Ougrèe das Stahlwerk in Chertal
Zu diesem Zeitpunkt beschäftigt Cockerill 40000 Arbeiter und produziert mehr als 6 Mio Tonnen Rohstahl.
Mit 27 Hochöfen, 14 davon allein in Lüttich ist Cockerill der größte belgische Stahlkonzern, der nahezu die gesamte Stahlproduktion im Lütticher Becken kontrollierte.
70er-Jahre: Sozialismus
1970 sind der moderne Hochofen B von 1962 und 5 von 1905 in Betrieb.
Das Unternehmen ist geprägt von Gewerkschaftsinteressen und Banken, die das Aktienkapital kontrollieren. Untereinander haben belgische Stahlkonzerne Beteiligungen, weshalb hier die Konkurrenz durch finanzielle Verschwägerung klein ist. Während man in Deutschland versucht, durch die beste Technik und Modernisierungen am Ball zu bleiben, quetschen Banken und Gewerkschaften Geld aus Cockerill. Wieso auch, die Konjunktur läuft gut in den frühen 70er-Jahren.
Die Ölkrise trifft Cockerill extrem hart, da vollkommen unerwartet der Absatz von Stahl einbricht. Cockerill muss sogar seine Beteiligung an den Sidmar-Werken in Gent verkaufen, um finanziell zu überleben. Unrentable Betriebsteile werden nur zögerlich geschlossen.
Späte 70er-Jahre bis frühe 80er Jahre: Es wird nicht investiert, sondern beim Staat um Subventionen gebettelt. Der belgische Staat subventioniert die Stahlproduktion mit Milliarden und sorgt so dafür, dass alles bleibt, wie es ist, nur teurer. Missmanagement und Überkapazitäten werden durch Milliardensubventionen überstrichen. Während andere Unternehmen wie Thyssen und Krupp die Innovationen der 70er Jahre wie Automatisierung nutzen, hat Cockerill kaum Anreize, da Arbeiter und Investoren zufrieden sind, wenn Staatsgeld fließt.
1978 ist die Beschäftigung bei Cockerill auf dem gleichen Niveau wie 1970, Konkurrenten brauchen für die gleiche Stahlkapazität etwa nur die Hälfte der Mitarbeiter.
1981 werden Cockerill und Hainaut-Sambre vom beglischen Staat übernommen und zu Cockerill-Sambre fusioniert
In den 80er-Jahren wurde das Staatsgeld dann in die Hand genommen, um bestehende Anlagen teils zu modernisieren und die Kapazität auf wenige Standorte (Seraing, Ougrèe und Chertal) zusammenzulegen. Unrentable Anlagen werden geschlossen. Tausende Mitarbeiter werden entlassen. Technische Neuerungen wie die Kohlenstaubeinblasung werden endlich und verspätet implementiert.
In den 90er-Jaren investierte Cockerill-Sambre noch im Eisenhüttenkombinat EKO Stahl GmbH.
Schlussfolgernd kann man sagen, dass Uralt-Anlagen bei Cockerill-Sambre Tradition haben, die je nach wirtschaftlicher Lage des Unternehmens modernisiert wurden, oder in ihren Zustand belassen, betrieben wurden. Die Mentalität ist eine Andere. Außerdem ist dies ein gutes Beispiel, warum Sozialismus nicht funktioniert, am Ende zahlt der Steuerzahler dafür, dass ein System erhalten bleibt, das nicht funktioniert. Wichtige Rationalisierungen und Modernisierungen wurden sehr teuer aufgeschoben. Am Ende waren Entlassungen unvermeidbar und die Chance verpasst, neue Jobs in Zukunftsbranchen zu schaffen.