Acromion schrieb:
Echt interessant. ich habe mich auch schon oft gefragt was für eine Funktion dieses hohe Gebäude gehabt hat. Danke für die Erklärung daumen- Kennst Du dich auch sonst so gut mit der dort verbauten Technik aus? Fände ich mal interessant da mit Jemanden rumzuschleichen der sich mit dem ganzen kram auskennt.
Da ich zurzeit arbeitssuchend bin, habe ich mir das mit der Technik und Politik eigentlich größtenteils im Nachhinein angelesen. Im Großen und ganzen habe ich die Anlagen aber verstanden. Zurzeit bin ich in Hamburg bei meiner Partnerin, möchte aber grundsätzlich dieses Jahr wieder nach Cockerill-Sambre. Wann, weiß ich noch nicht. Grundsätzlich dann, wenn ich meine Eltern im Kreis Kleve besuche, von da sind es ja nur zwei Stunden.
Auch interessant ist der politische Hintergrund. Infolge der Ölkrise brach der Stahlabsatz von Cockerill und TMM (Charleroi) massiv ein, da weniger gebaut und weniger Autos gebaut wurden. Die beiden Stahlkonzerne haben Flach- und Armierungsstahl hergestellt. Mitte der 70er besaß Cockerill eine Reihe verstreut liegender Werke, die nicht gerade auf dem neuesten Stand waren. Um die Arbeitsplätze zu halten, wurden Ende der 70er Jahre massiv Subventionen in TMM und Cockerill gepumpt, die beide
in Privatbesitz waren. Ende der 70er Jahre hatte Cockerill etwa die DOPPELTE Anzahl Mitarbeiter wie SIDMAR in Gent auf die gleiche Produktion bezogen.
1981 wurde Cockerill und TMM/Hainaut-Sambre verstaatlicht und zu Cockerill-Sambre. Der ehemalige Besitzer von TMM, Albert Frère, ist inzwischen der reichste Mann von Belgien und hat das Staatsgeld gut investiert. Als Staatsbetrieb wurde Cockerill-Sambre in den 80er Jahren dann rationalisiert und es wurden mehr als 10000 Mitarbeiter entlassen. Seit 1984 waren im Raum Lüttich nur noch die Großhchöfen B und 6 in Betrieb. Das Eisen wurde im Stahlwerk auf der Insel zu Stahl verdelt. Ganz in der Nähe vom HFB ist übrigens eine Kaltwalzanlage in Betrieb. Vermutlich sind die Sinteranlage und die Kohlenstaubeinblasung nach 1980 im Zuge von Rationalisierungen gebaut worden (Mehr Kapazität an weniger Standorten).
1998 wurde Cockerill-Sambre an die französische Usinor-Gruppe reprivatisiert.
Um 2005 (Cockerill-Sambre gehört nun zur Arcelor-Gruppe) sollte dann die heiße Phase im Lütticher Becken geschlossen werden, sie wurde aber vorerst eingemottet. Lakashmi Mittal ließ Hochöfen und Stahlwerk wieder hochfahren, da Stahl um 2007 wieder gefragt war (China-Boom). 2011 kam aufgrund der niedrigen Stahlpreise dann aber das Ende.
Im Grunde kann man sagen, dass vor allem die Mitarbeiter das Glück hatten, dass ihr Unternehmen so lange produziert hat. Den Eigentümern hat es jedenfalls seit den 70er Jahren rote Zahlen eingebracht. Das Ende war eigentlich schon lange vorher abzusehen, da der Standort zu weit im Inland liegt, es wenige Kunden in direkter Nähe gibt und die vergleichsweise kleinen Anlagen verstreut an der Maas liegen. Aus technischer Sicht sind es keine schlechten Anlagen, die auch seit den 80ern modernisiert wurden, aus geografischer Sicht allerdings eine mittlere Katastrophe.
Ganz interessant sind folgende Links, wenn man die Website übersetzt:
http://tchorski.morkitu.org/9/ougree-01.htm
https://www.exxplore.fr/pages/Siderurgie-Liegeoise.php
Oder dieser Artikel:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40616298.html
Dieser Link beschreibt die Geschichte der Stahlindustrie in der Wallonie:
http://www.gr-atlas.uni.lu/index.php/de/articles/wi55/ei192/wa486